Der NeueNeueNeue (NNN)

Aufgrund der Enge in unserem Büro bekamen wir eine neue Innenausstattung mit neuen Möbeln. Im Zuge der Aufräumarbeiten fand ich viele verschollen geglaubte Sachen wieder. U. a. auch einen ausziehbaren Zeigestock, der mir bei der Ausbildung eines neuen Kollegen sehr nützliche Dinge leisten sollte.

Wer je in der Situation war, neue Kollegen einzuweisen oder auszubilden, weiß, daß "Neue" die Angewohnheit haben, bei allem, was man sagt, nur mit einem halben Ohr hin zu hören und sofort versuchen alles anders zu machen, als man ihnen sagt. Man kann sich eigentlich immer nur wiederholen, bis man den gewünschten Erfolg erzielt. Es begab sich nun, daß uns die Ausbildung eines neuen Kollegen aufgetragen wurde. Der NNN, so genannt, weil er der dritte Neue in einem Jahr war, hatte den Ruf, ewig zu widersprechen und alles besser zu wissen.

Da wir aber trotz unserer latenten Agressivität, doch eher schüchtern und introvertiert sind, war er bei uns natürlich gerade richtig. Der NNN sagte z. B. seinen Arbeitskollegen, daß er während meines Urlaubs schon mal auf meinem Stuhl probesitzen würde und ähnliche Blasphemien. Dieser Kollege tauchte dann eines Nachmittags mit unserem Chef auf:

  • zottelige, lange Haare
  • unrasiert
  • großmäulig

Da das ganze Aussehen von Ewald eher dem Aussehen eines Mitarbeiters der A. d. H. K. a. R glich, provozierte sein Szenario entschiedene Gegenmaßnahmen unsererseits. Wolfgang hat mit dem NNN übrigens den Hauptschulabschluß auf Abendschule nachgemacht (man muß ja wenigstens etwas für die Bildung tuen). Wolfgang kannte daher natürlich sein Mangel an Respekt vor Koniferen, äh Koryphären, von daher war uns allen klar, daß die Ausbildung von Ewald kein Zuckerschlecken werden würde. Für ihn!

Schon am ersten Tag hatten wir mit dezenten verbalen Hinweisen und gezielten Hieben seinen Willen gebrochen. Er ließ uns die uns gebührende Aufmerksamkeit zu Teil werden. Da er u. a. immer noch nicht auf das Hören wollte, was wir ihm sagten und er auch öfters vergaß, daß, was wir ihm sagten mitzuschreiben, mußte leider sein Denkvermögen durch plazierte Schläge erhöht werden.

Da der NNN die Angewohnheit hat, wenn er eine Sache langsam beherrscht, aufmüpfig zu werden, mußte jeder Anflug von Aufmüpfigkeit gleich im Keim erstickt werden. Beim leichten Anzeichen von Aufmüpfigkeit wurde er dann auch durch das Kollektiv wieder sanft auf den rechten Weg gelenkt. Die Nebenwirkung war allerdings, daß der NNN zeitweise nicht mehr zwischen rot und weiß unterscheiden konnte, aber wo gehobelt wird ...

Für seine Rhetorik und Sprachbildung fühlten wir uns selbstversändlich auch verantwortlich, deshalb diskutierten wir in einer kollektiven Vollversammlung darüber, wie der Mangel an Ausdruckvermögen und Wortschatz von NNN beseitigt werden könnte. Wir kamen überein, daß das Benutzen des Wortes "tut" anstatt richtiger Verben und das aufmüpfige "ja, aber" von NNN mit jeweils 10 DM für die Kaffeekasse zu vergelten ist. So sammelte sich innerhalb weniger Tage ein beträchtliches Sümmchen in der Kaffeekasse an und wir konnten das ganze Jahr auf Ewald`s Kosten Betriebsmittel kaufen. Leider ist NNN ziemlich karrig (Umgangssprache für geizig), deshalb verbesserte sich seine Ausdrucksfähigkeit innerhalb einiger Wochen spürbar. Leider hapert es etwas mit seiner Konzentrationsfähigkeit, aber das bekommen wir auch noch hin.

Wenn der Zeh schwarz wird, fällt er von alleine ab

Wieder ein herrlicher Montag und das Wochenende gerade so eben überlebt, obwohl man den Eindruck hat, daß gerade erst Freitag Nachmittag war. August schlenzt herein, um zu berichten, daß Gerhard am Wochenende einen Unfall beim Gebrauch seiner Trennscheibe hatte und sich dabei einen Teil von seinem großen Zeh abgeflext hat. Der Umstand, wie man einen Zeh, äh Schuh, mit einem Doppel-T-Träger verwechseln kann, läßt natürlich einen breiten Raum für wilde Spekulationen. Am folgenden Mittwoch besuchte uns Gerhard dann auch und erzählte uns, wie es zu diesem Unfall kam. Unter lauten Gejohle gab er dann auch widerwillig zu, daß faules Fleisch halt weg muß und überhaupt, was nicht tötet, abhärtet.
'Der Heilungsprozeß des Zehs zog sich, wie von uns prognostiziert, in die Länge. Aber immer, wenn Gerhard mit schmerzverzerrten Gesicht versuchte, unser Mitleid zu erregen, machte wir ihm Mut, indem wir ihm und jedem (der es hören wollte oder auch nicht hören wollte) erzählten, daß wenn der Zeh schwarz wird, von alleine abfällt. Damit läßt dann natürlich auch der Schmerz nach. Weil, was nicht mehr da ist, kann auch nicht mehr schmerzen.

zurück